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Veröffentlicht 

ARTIKEL  FORUM GESUNDHEIT 13.05.20  von Dr. Hartl

 

Ehlers-Danlos-Syndrom

  • Viele Gesichter der Erkrankung 

  • Langer Weg bis zur Diagnose 

  • Keine Simulanten 

  • Die Psyche ist nicht verantwortlich 

  • Therapie 

  • Sich selbst helfen 

  • Infobox 

 

Das Ehlers-Danlos-Syndrom beschreibt eine angeborene Störung der Bindegewebsfunktion und ist gekennzeichnet durch rund 60 Symptome, wie überbewegliche Gelenke, extrem dehnbare Haut und Schmerzen aller Art. Da Heilungsmöglichkeiten nicht bekannt sind, bleibt nur die Behandlung der Beschwerden, wobei Selbstdisziplin und Eigeninitiative unerlässlich sind. Betroffene müssen häufig um Verständnis und Anerkennung ihrer Erkrankung kämpfen. 

Das Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) ist eine schwer greifbare Krankheit. Kaum jemand kennt das Wesen dieser Erkrankung und ihre schweren Folgen, denn sie tritt selten auf und ist den Betroffenen äußerlich meist nicht anzusehen. Eines der Zeichen kann das ungewöhnlich elastische Bindegewebe sein, wodurch sich die Haut bei vielen Betroffenen unnatürlich leicht anheben lässt. 

 

Viele Gesichter der Erkrankung 

Da auch das Bindegewebe im Körper viel zu weich ist, kann es die Organe und Gelenke nicht richtig stützen. Die Überelastizität beeinflusst Muskeln, Bänder, Gelenke, Sehnen, Gefäße und innere Organe. Rund 60 Symptome sind bekannt. Sie können das Leben zum Alptraum machen, so etwa: Chronische Schmerzen aller Art, Überdehnbarkeit der Gelenke, hohe Verletzbarkeit der Haut, häufige Luxationen und anderen Verletzungen, Sehstörungen, Übelkeit, Bauchkrämpfe, Erschöpfung, Kreislaufbeschwerden bis hin zur Ohnmacht u.v.m.

Bei jedem Patienten äußert sich die Krankheit anders. „Manche leiden nur unter ein paar Beschwerden, andere wiederum kommen kaum aus dem Bett oder sitzen im Rollstuhl. Wer am vaskulären Typ der Erkrankung leidet, ist täglich dem hohen Risiko einer lebensbedrohlichen Komplikation ausgesetzt“, sagt Katharina Sigl, Leiterin der Selbsthilfegruppe Ehlers-Danlos-Syndrom Linz. „All diese Probleme werden noch dadurch gesteigert, dass sie völlig unkontrollierbar und plötzlich auftreten.“ Dieses völlige Fehlen an Vorhersehbarkeit macht hilflos und führt dazu, dass die Betroffenen immer mehr in soziale Isolation geraten, weil oft Termine, Treffen und gemeinsame Aktivitäten nicht eingehalten werden können. „Man weiß einfach nie, wie es einem in einer Stunde oder am Abend gehen wird. Mit diesem Damoklesschwert über dem Kopf ziehen sich viele zurück, Freunde gehen verloren, Beziehungen gehen zu Bruch, Jobs werden verloren“, erklärt Sigl. 

 

Langer Weg bis zur Diagnose 

Die Diagnose von EDS ist schwierig. Nur selten denkt man überhaupt an die Möglichkeit dieser Erkrankung. Manche Varianten sind genetisch nachweisbar, die häufig vorkommende Variante des hypermobilen Typs jedoch nicht. „Ich selbst habe an die 80 Ärzte konsultiert, bis ich endlich bei einem der seltenen Spezialisten eine Diagnose erhalten habe. Zwanzig Jahre habe ich darauf warten müssen. Erst dann bekamen die Krankheit und all ihre Probleme endlich einen Namen. Endlich wurde mir auch schriftlich bestätigt, dass ich nicht verrückt bin und mir all die Schmerzen und Beschwerden bloß einbilde“, sagt Sigl. 

 

Keine Simulanten 

Betroffenen wird ihr körperliches Leiden häufig nicht geglaubt. Vor allem junge Patienten, denen man die Qualen noch nicht ansieht, stoßen auf Skepsis. „Das Schlimmste für Patienten ist es, wenn man sie als Simulanten hinstellt, sei es privat, im Job oder gar beim Arztbesuch. Betroffene erwarten kein Mitleid, aber sie wollen zumindest ernst genommen werden, das ist das Wichtigste, das man von Ärzten, von Freunden, in der Familie und von Arbeitskollegen erwartet“, so Sigl. 

 

Die Psyche ist nicht verantwortlich 

Da die Erkrankung für Ärzte und Personen des sozialen Umfeldes oft nicht erklärbar ist, werden Betroffene oft mit der Vermutung konfrontiert, dass ihre Erkrankung „psychisch“ oder „psychosomatisch“ sei. „Jeder Betroffene bekommt solche falschen Vermutungen zu hören. Doch diese sind in keinem Fall wahr. Die Ursache ist stets körperlich. Die Psyche kommt erst später ins Spiel, und zwar als Folge der Schmerzen, der Erschöpfung und anderer Probleme. Ängste und Depressionen sind aber nur das Resultat, die Wirkung, nie die Ursache“, betont Sigl. 

 

Therapie 

Bisher gibt es für EDS keine Heilung und auch keinen generellen Therapie-Fahrplan. Symptombehandlung erfolgt individuell und beschränkt sich meist auf die Linderung der Beschwerden, Überwachung des kardiovaskulären Systems, Physiotherapie oder orthopädische Hilfsmittel. Auch Verhaltenstherapie und eine psychologische Betreuung können hilfreich sein. Die üblichen Schmerzmittel dagegen helfen in der Regel nicht oder nur wenig.

„Die Medizin ist mit Diagnose und Therapie in vielen Fällen überfordert und kaum ein Arzt weiß damit etwas anzufangen. Viele glauben, EDS sei nur dehnbare Haut, die gravierenden Folgen der Erkrankung sind unbekannt. Als Patient ist man in der Zwickmühle: Einerseits will man nicht ständig klagen und jammern, denn das will niemand hören, andererseits bekommt man nur dann Hilfe, wenn man selbst die Initiative ergreift“, sagt Sigl. 

 

Sich selbst helfen 

Da die Therapiemöglichkeiten augenblicklich noch nicht ausreichend gegeben sind, ist es für Betroffene umso wichtiger, sich so gut wie möglich selbst zu helfen. Hier einige Tipps von Katharina Sigl an Betroffene, wie man das eigene Leben so gut es geht selbst in die Hand nehmen kann, um den Alltag besser und erträglicher zu gestalten:

  • Jeder muss selbst herausfinden, was einem hilft und was nicht. Integrieren Sie das, was Ihnen guttut, in Ihr Leben, und zwar regelmäßig. Oft ist schon viel gewonnen, wenn man weglässt, was einem nicht guttut.

  • Selbstdisziplin ist sehr wichtig. Eisern einhalten, was man als gut für sich erkannt hat!

  • Tagesroutine: Routine in den Alltag zu bringen, gibt Sicherheit und hilft gegen Ängste und Schmerzen. Beispiele: Atemübungen gleich nach dem Aufstehen, leichte Übungen um 10 Uhr, Meditieren um 12 Uhr, leichte Bewegung um 17 Uhr, kleine Mahlzeiten alle zwei Stunden etc.

  • Immer wieder Pausen einlegen, sich nicht überfordern.

  • Osteopathie zeigt bei manchen Patienten gute Wirkung.

  • Bewegung im warmen Wasser tut gut.

  • Positive Einstellung. An der geistigen Haltung arbeiten, dankbar sein für das, was gut ist im Leben, sich immer wieder aufs Neue auf das Positive im Leben fokussieren.

  • Bewegung tut gut, falls diese möglich ist. Sport und Muskelaufbau dagegen ist nur für wenige möglich. Eine gewisse muskuläre Grundstabilität sollte durch individuell angepasste Übungen aufrechterhalten werden.

„Es hat so viele Jahre gedauert, bis ich einen Weg gefunden habe, um mit all den Schwierigkeiten zurecht zu kommen. Nun habe ich die Krankheit endlich besser unter Kontrolle und nicht mehr so sehr sie mich. Jeder sollte so viel Lebensqualität für sich kreieren wie möglich. Das gelingt am besten, wenn man die Krankheit als solche akzeptiert, aber sich nicht geschlagen gibt und sein Leben verbessert, wo man darauf Einfluss hat“, rät Katharina Sigl. 

Infobox 

Um auch anderen helfen zu können, hat sie die erste EDS-Selbsthilfegruppe in Oberösterreich gegründet, in der sie ihr in zwanzig Jahren erworbenes Wissen an Betroffene und Angehörige weitergibt. Kontakt: www.daisy-day.com.

 

Dr. Thomas Hartl

Mai 2020

 

 

LINK: https://www.meinegesundheit.at/cdscontent/?contentid=10007.858188&portal=meinegesundheitportal

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